AUF DER SUCHE NACH EINER VERLORENEN WELT, TEIL 6: TEXAS

erschienen im Purpose Magazin

Endlose Weite von Horizont zu Horizont, endlose Ausritte, erstaunliche Tiere und noch überraschendere Menschen traf unser ältester Autor, als er 1997 nach Texas kam. Entdecken Sie mit ihm diese Zeit wieder!

Hier erfahren Sie mehr über:

TEXT: Wolfgang Eckstein

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Wolfgang Eckstein ist 97 Jahre jung. Der Jurist war u.a. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Bekleidungsindustrie, gründete den Verband deut­scher Mo­de­desig­ner, den Mo­de­kreis München und eine Stif­tung für die Modeindustrie. Für PURPOSE schreibt er exklusiv. www.wolfgangeckstein.eu

Texas – zweitgrößter Bundesstaat der USA. Zweimal grösser als Deutschland und nur 18 Millionen Einwohner.

Ein Land, in dem Weite und Wetter den Menschen beherrschen. Ein Land, in dem die herbe Schönheit und verwirrende Vielfalt der Natur zu flammendem Patriotismus animiert. Ein Land, in dem blühender Wohlstand auf vielen Böden wächst.

Die imposante Einfahrt zur Stevens Ranch in Osttexas, in der Nähe von Athens und Malakoff und 130 Kilometer von Dallas entfernt, ist mit steinernen Säulen markiert. Das Schild mit der Aufschrift „Golden Keys“ weist auf die Heimatstadt der Besitzer Teddy und Heidi hin, mit denen ich seit Jahren einen Besuch vereinbart hatte. Jetzt ist mein langgehegter Wunsch, ihre Ranch im legendären, vielbewunderten und auch vielbelächelten Texas zu erleben, endlich Wirklichkeit geworden.

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BESUCH BEI FOREMAN GARY UND MELISSA

Wir verlassen die saubere, glatte Asphaltstraße. Jetzt holpert der Jeep, eine dichte Staubwolke hinter sich lassend, über einen sandigen Weg, der nach einem Regen sicher einer glitschigen Rutschbahn gleicht. Kilometerweit geht es durch abwechslungsreiches Weideland, das bereits zur Ranch gehört. Gemütlich dahintrabende Rinder vermitteln wohltuende Ruhe und stillen Frieden. Sie stimmen schon in der ersten Stunde auf die einsame Unberührtheit der abgelegenen Ranch ein.

Der Foreman Gary und seine Frau Melissa, die mich ab jetzt umsorgen, begrüßen mich ebenso herzlich wie die an mir hochspringenden Hunde und das, obwohl ich noch ein Fremder für sie bin, mich aber offensichtlich als willkommenen Gast sofort anerkennen.

Im rustikalen Gästehaus, gebaut aus einheimischen Klinkersteinen, die in der Nähe „gebacken“ werden, kann ich mir das Apartment aussuchen, das mir am besten gefällt und von dem aus ich den schönsten Ausblick habe. Allesamt sind sie urgemütlich mit viel Naturholzmöbeln und -wänden liebevoll eingerichtet.

Im weitläufigen Erdgeschoss bildet ein riesiger Kamin den Mittelpunkt einer hohen und großen Wohnhalle, in der man sich in einer kuscheligen Sitzecke zum Essen trifft und den Abend am knisternden Kaminfeuer, in gemütlicher Runde, bei einem spritzigen kalifornischen Wein, verplaudert.

DIE NACHT IM STERNENMEER

Die rotglühende Abendsonne und in ihrem Gefolge feinlinige Wolkenbänder zaubern lange Schatten und zeichnen Landkarten auf den Boden. Der langgestreckte See glitzert wie ein Paillettenteppich. Die von dichtem Urwald eingesäumten Ufer doppeln sich spiegelnd im Wasser. Ohne Dämmerung wirft die Nacht ein funkelndes Sternenmeer an den pechschwarzen Himmel.

Am frühen Abend kommt die große Stunde für die leidenschaftliche Köchin Melissa. Ihre Kochbücher, die für sie eher geheiligte Kochbibeln sind, füllen ein ganzes Regal. Sie zaubert ein geschmacklich unübertroffenes Essen auf den Tisch und verwöhnt damit nicht nur den Gaumen, sondern garniert das Menü in geradezu künstlerischer Weise auch für das „mitessende“ Auge. Jeden Tag lässt sie sich eine völlig neue „Menuecreation“ einfallen. Man spürt, mit welcher, geradezu hingebungsvollen Begeisterung sie sich dieser Aufgabe annimmt.

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DAS TAXI WARTET: EIN PFERD

Am Morgen steht, statt eines Taxis, ein gesatteltes Pferd vor meinem Fenster. Sein freudiges Wiehern bedeutet eine unüberhörbare Aufforderung für einen Ausritt, der jetzt für jeden Tag vorgesehen ist. Dafür wurden verschiedene Reitziele ausgesucht und auch die Pferde täglich ausgewechselt.

Vorher gibt es noch etwas Wichtiges zu erledigen, denn die Ranch hat eine Weite von Horizont zu Horizont. Der Verwalter will deshalb wissen in welche Richtung ich reite und wann er mit meiner Rückkunft rechnen kann. Das ist eine dringende Vorsichtsmaßnahme. Bei einem Reitunfall oder Verirrung in diesem weglosen Gelände können dann die helfenden Retter mich leichter auffinden.

Unter weitgespanntem Himmel über schier grenzenloses Land zu reiten. Was sonst gibt einem im Leben ein so tiefes Gefühl für Freiheit und Ungebundenheit?

Allein mit sich und doch nicht einsam, sondern im Einklang mit den Tieren und den Stimmen der Natur. Mit immer neuen Eindrücken angereicherte Stunden dahintraben, über mit knorrigen Eichen gesprenkelte Weiden und durch Wälder, die auf schmalen Pfaden nur Raum lassen für Pferd und Reiter.

Der ängstliche Schrei eines aufgescheuchten Vogels, das hastige Knacken von Ästen im Unterholz durch einen davonjagenden Hirsch, ein dahintrappelndes Gürteltier, in ganz Amerika Amarillo genannt, eine scheue Schlange, die sich davonmacht, erhalten die Aufmerksamkeit, die Neugierde, den Blick und das Gefühl für die hautnahe Spürbarkeit der Natur.
Das Pferd wittert jede Gefahr, richtet die Ohren auf und reagiert mit Gelassenheit oder Panik.

Rinderherden traben langsam davon, misstrauisch, weil sie den Cowboy mit dem Lasso vermuten und fürchten. Ein eben geborenes Kälbchen, das sich noch kaum auf den Beinen halten kann, kriecht Schutz suchend unter den Bauch der Mutterkuh.

DIE SCHÄTZE DER NATUR, AUCH IM BODEN

In diesen späten Herbsttagen schickt eine gnädige Sonne, nach glühenden Sommermonaten mit unerträglicher Hitze, milde, wohltuende Strahlen vom Himmel. Eine leichte Brise streicht belebend durch die Bäume und über das Gras. Ein Rudel Wildschweine wühlt sich aus dem für sie wohligen Schlamm und sucht im „Schweinsgalopp“ Zuflucht im nahen schützenden Wald.

Mitten in der scheinbar menschenleeren Landschaft, wie Aufbauten eines versunkenen Schiffes, Bohrtürme einer versiegten Öl- oder Erdgasquelle. Unter der Erde liegen noch immer gewaltige Bodenschätze, die sich die großen Gesellschaften für alle Fälle durch entsprechende Verträge mit den Landeigentümern gesichert haben und die sie, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ausbeuten werden.

Ein riesiges, schon bestelltes braunfarbiges Feld bietet sich zu einem scharfen Galopp an. Das Pferd fliegt fast schwerelos über die flache Erde. Man spürt die übermütige Lust des Tieres, sein Äußerstes zu geben, aber auch es sich abzuverlangen. Unwillkürlich denke ich an den Spruch „das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.“

DIE TIERE DER NACHT

Ein kalter, klarer, pausbackiger Vollmond im Sternenkranz löst die müde Sonne nach ihrem Lauf über den Himmel ab und schickt sie hinter dem von Baumkronen gezackten Horizont zu Bett. Die junge kühle Nacht weckt jetzt neues Leben im finsteren Urwald und im dunklen See.

Die Waschbären sind unterwegs, ein Rudel Coyoten heult den Wölfen gleich um die Wette, die Baumfrösche vollführen ein ununterbrochenes Konzert. Ein einsamer Puma streift durch das Dickicht. Aber auch Stinktiere machen von sich „riechen“. Das geringste störende Geräusch veranlasst sie, einen unerträglichen Gestank zu verbreiten. Besonders „angenehm“ ist es, wenn sie sich unter dem Haus einnisten, was sie besonders gerne tun und bereits auf leichte Schritte über ihnen „duftend“ reagieren, wie ich von einem „stinksauren“ Teddy am nächsten Morgen erfahre.

Der langgestreckte See liegt still und einsam wie ein Spiegel. Die unzähligen Schildkröten, unter denen es Prachtexemplare von einem halben Meter Durchmesser gibt, haben sich in ihr schützendes Panzerhaus zurückgezogen. Nur die nimmermüden Fische klatschen auf der Jagd nach tanzenden Fliegen auf das glatte Wasser oder werden von größeren hungrigen Räubern gejagt, von denen es viele gibt.

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URZEITLICHE ALLIGATORFISCHE

Einer davon übertrifft aber alle anderen was Größe, Gewicht und Aussehen betrifft.

Über viele Jahre wussten meine Freunde nicht, welche unheimlichen Bewohner in ihrem kleinen See ihr Unwesen treiben. Es sind Ungeheuer, die eher einem Alligator näherstehen als einem Fisch. Der lange schmale Kopf gleicht völlig dem eines Alligators. Das übergroße Maul hat eine große Zahl bedrohlicher, nadelspitzer Zähne. Mit einer lungenähnlichen Blase, die er an der Wasseroberfläche immer wieder auffüllt, kann er sich auch im sauerstoffarmen Wasser aufhalten.

Es wird berichtet, dass solche Alligatorfische schon Menschen angefallen haben. Es wurden bereits mehrere Dutzende dieser unheimlichen Räuber gefangen, mit einer Länge von fast zwei Meter und einem Gewicht von180 Pfund. Teddy hat einen davon präparieren lassen. Jetzt hängt der „Zwitter“ aus der Urzeit an der Decke, um allem belächelten Anglerlatein ein Ende zu bereiten.

Niemand hätte je geglaubt, dass es in diesem harmlos erscheinenden See mit kaum vier Meter Tiefe, derartige Riesenfische gibt. Der größte Alligatorfisch, der je gefangen wurde, hatte eine Länge von drei Metern und ein Gewicht von 270 Pfund. Petri Heil – hoffentlich hielt das Seil!

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DAS BEGRÄBNIS EINES PFERDES

Ein besonders temperamentvolles Pferd hat sich bei einem Sprung das Bein schwer verletzt. Das ist der traurige Moment einer schweren, schmerzhaften Entscheidung für den Cowboy, wobei es nur die eine unausweichliche gibt. Nach einem feurigen Sonnenaufgang zerreisst ein peitschender Schuss die morgendliche friedliche Stille. Ein treuer Freund hat sein Leben ausgehaucht. Das „Begräbnis“ übernehmen die gierig kreisenden Geier, die nach Fleisch lechzenden Coyoten und zuletzt die für die Feinarbeit zuständigen Ameisen. In wenigen Tagen wird man kaum noch etwas vorfinden.

Aber beim Vorbeireiten machen die Pferde einen weiten Bogen um diese Stelle und sind mit keinem noch so heftigen Sporentritt dazu zu bewegen, ihren Weg zu ändern.

In diesem nicht erfassbaren Land mit seiner urwüchsigen Natur folgen Menschen und Tiere ihren eigenen Gesetzen und Instinkten.

KEIN MANN OHNE AUTO

Wo es hier für ein Pferd zu weit oder zu mühsam ist, muss es das Auto schaffen, das gewissermaßen einen Kultgegenstand darstellt. Das Auto ist der Spazierstock des Texaners und ohne Auto gilt er nicht als Mann. Er ist gesellschaftlich wie ein „Ausgestoßener“. Ein Texaner ohne Auto ist so hilflos wie ein Cowboy ohne Pferd.

Diese einseitige Schwerlastigkeit zu Gunsten des Autos hat dazu geführt, dass es bei diesen riesigen Entfernungen zwar ein ausgezeichnetes Schnellstraßennetz gibt, aber keine Straßen- oder U-Bahnen und nur einen mangelhaften Busverkehr. Kaum Personen-, sondern fast nur Güterzüge, die gemächlich durch das Land tuckern.

Auf der Ranch gibt es allerdings noch ein anderes Gefährt, nämlich eine wunderschöne alte Kutsche. Damit schaukle ich mit Teddy und der vorgespannten, emsig trabenden Betty bei jeder passenden Gelegenheit, meistens am frühen Abend, über Stock und Stein durch die Gegend. Kürzlich ist er mit der „fahrenden Schaukel“ umgestürzt und seine schlanke Heidi auf ihn drauf. „Gott sei Dank bist Du nicht dicker und schwerer“ war seine ganz klare Feststellung und sein trockener Kommentar!

Während ich an einem verregneten Abend gemütlich ein Fernsehprogramm anschaue, erscheint auf der rechten oberen Ecke des Bildschirms „Flutwarnung für Südtexas“. Demnach ist nicht sehr weit von uns entfernt ein Wolkenbruch niedergegangen. Kurz darauf bereits ergreifende Livebilder von flüchtenden, verängstigten Menschen, die in wilder Panik versuchen, ihr Hab und Gut vor den reißenden Wassermassen in Sicherheit zu bringen.

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DALLAS, DIE STADT DER SUPERLATIVE

Aus der schweigenden Einsamkeit der abgelegenen Ranch für einen Tag ins quirlige Dallas. Eine unwirkliche Fata Morgana inmitten der Prärie. Eine Stadt, die sich mit Superlativen schmückt. Vor 150 Jahren gab es hier nur die schiefe hölzerne Hütte eines einzigen Siedlers, die noch als historisches Überbleibsel der Vergangenheit in einem Park steht und viel bestaunt wird.

Heute gibt es in Texas mehr Cadillacs pro Kopf als in irgendeiner anderen Stadt der Welt. Hier schenkt Mary Kay, die Inhaberin einer bekannten Cosmeticfirma ihren tüchtigsten Verkäuferinnen rosarote Cadillacs. Hier bestehen bereits zehnjährige Kinder auf Designer-Jeans und Rolex-Uhren. Auf die häufig gestellte Frage, was man in Dallas denn so tut, lautet die lapidare Antwort: „Einkaufen.“

„BIG-D“- das sind die prächtigen, Reichtum verkündenden Paläste von Banken, Versicherungen und die eleganten Superhotels. BIG-D, das ist der Glaube an unbegrenztes Wachstum, ist die Herrschaft von konservativen Familiendynastien.
BIG-D ist seit dem Mord an John F. Kennedy um seinen Ruf besorgt und die Texaner wollen die Stadt mit allen Mitteln trotzdem zu einer Mustermetropole machen.

DIE JUWELEN DES BERÜHMTEN HENRY

Ein Besuch bei Freund Henry, dem berühmtesten aller Juweliere in Dallas, muss sein. Er hat uns schon auf vier Monitoren von seinem Büro aus am Eingang beobachtet, bevor wir überhaupt erst durch drei Sicherheitsschleusen und gepanzerte Türen zu ihm gelangen.

Was da an Schmuck in allen Räumen in den Vitrinen liegt und in Gold und Brillanten funkelt und glitzert, lässt sich weder beschreiben noch an Wert auch nur in ungefähr schätzen. Jedenfalls kaufen bei ihm die Milliardäre Perot, Hunt, Clayton oder wie sie sonst alle heißen, ein, und da sind lupenreine Fünf-oder Zehnkaräter keine Seltenheit.

Kürzlich hat er einer Dame einen zehnkarätigen Schmuck persönlich ins Haus geliefert. Der Hausherr gab ihm dafür scheinbar ganz cool einen Scheck über 150.000 $.

Am nächsten Morgen war der Mann nicht mehr so cool. Er hatte nämlich einen Herzinfarkt erlitten, den er glücklicherweise überstand.

Ja, ja, was des einen Freud, ist des anderen Leid!  Oder: „Was für die Frau ist Diamant und Nerz, ist für den Mann der Druck aufs Herz.“

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DAS ROSENFEST IN TYLER

Am nächsten Morgen strahlender Sonnenschein. Ein geschenkter Tag, um in Tyler ein Rosenfest zu besuchen und der Rosenkönigin Bewunderung zu spenden. In dieser Gegend werden 90 Prozent der Rosen von Texas gezüchtet. Die Luft ist erfüllt mit einer Wolke Rosenduft. Den Festplatz und das Rosenmuseum hat man in ein vielfarbiges Rosenmeer verwandelt. Zum ersten Mal wird mir deutlich vor Augen und Nase geführt, wieviel erstaunlich verschiedene Arten von Rosen es in Größe, Farbe und Duftnote überhaupt gibt.

Jedes Jahr wird mit großem Aufwand eine attraktive Rosenkönigin gewählt. Das kostet dem stolzen Vater allerdings 18.000 DM für eine gern gegebene Spende, es ist aber auch eine besondere Ehre, eine „Majestät“ in der Familie zu haben.

Es herrscht Jubel, Trubel und Heiterkeit. Alles angeheizt von der ohrenbetäubenden Lautstärke einer beeindruckenden Kapelle in traditionellen Kostümen.

VORSICHT VOR KLAPPERSCHLANGEN UND WAFFEN!

Zurück in die Idylle der Ranch. Hier geben die Buntspechte mit hartem Klopfen den Takt und die Fischreiher mit heiseren Schreien den Ton an. Noch einmal schnell in den Swimmingpool, den Pferden lobend den Hals streicheln, bevor mich die aufmerksamen Hunde zur Türe begleiten, um dann ihre Wachposition einzunehmen. So können die Türen sorglos unverschlossen bleiben.

In der Nacht hat sich allerdings ein ungebetener Gast unhörbar ins anliegende Sattelhaus geschlichen und auf einem Sattel gemütlich zusammengeringelt – eine Klapperschlange. Da gibt es kein Zögern und es ist ein kurz entschlossenes, mutiges „Cowgirl,“ ausgerechnet aus der Schweiz, das mit einem gezielten Wilhelm Tell-Schuss aus der Pistole, das gefährliche „Klappertier“ in die ewigen Jagdgründe schickt.

„Ciao Schlängerli und merci vielmal Mädli“.

Genauso gefährlich kann es in Texas ablaufen, wenn es in einer turbulenten Bar auf einmal mucksmäuschenstill wird. Dann sollte man das Lokal besser sofort verlassen, weil vermutlich im nächsten Moment jemand zusammengeschlagen oder erschossen wird. Es sei denn, alle Gäste haben das Schild an der Türe beachtet: „Waffen aller Art sind an der Garderobe abzugeben“.

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TEXANISCHE ORIGINALE UND IHR FRÖHLICHER SCHUSSWAFFENGEBRAUCH

Es ist Samstag und alles dreht sich um die bevorstehende Viehauktion. Schon am frühen Morgen ist die Anfahrtsstraße von Bussen, Wohnwagen, Viehtransportern und allen möglichen anderen Fahrzeugen verstopft.

Es ist schwer zu erklären, warum scheinbar intelligente Menschen für ein einziges Stück Vieh 200.000 – 1 Million $ zahlen. Oder noch seltsamer: Warum zahlen Züchter für die Rechte an einem Zwölftel des Samens des Bullen Rocky 300.000 DM?

Als das ganze wilde Spektakel vorbei ist und der Auktionator eine ausgefranste Zunge vom pausenlosen Versteigern hat, wird der Umsatz des Tages feierlich verkündet. Dann singt die Menge mit freudigen Stimmen „GOD BLESS AMERICA.“

Heute ist der drahtige Jack, ein Cowboytyp wie er im Buch steht, zu Besuch. Er hat vor einiger Zeit seine herrliche Ranch in Texas, auf der sich über 400 Pferde tummelten, verlassen, um sich in Arkansas anzusiedeln. Für seine Frau war die Trennung von ihrem schönen herrschaftlichen Haus sehr schmerzlich.

Bei ihrem ersten Besuch in Arkansas zeigt ihr Jack ein völlig verwahrlostes Haus als neues Heim. Daraufhin bricht seine Frau in Tränen aus, aber Jack sitzt der Schalk im Nacken. Er unterdrückt ein Lachen und deutet auf eine Traumvilla, als neues Zuhause, die nur wenige hundert Meter weiter steht.

So verwandelt er auf seine Art die Schmerzenstränen schnell in Freudentränen.

Carolina, 80 Jahre alt und ein echtes texanisches Original, hat auf ihrem Grundstück einen Teich. Dort versammeln sich Hirsche, Truthähne und andere Tiere, aber nur weil sie von ihr eifrig gefüttert werden. Eines schönen Tages wartet sie dann mit dem Gewehr, statt dem Futter, in der Hand. Es macht plopp und der Bock fällt um.

Amüsiert darüber ist nur die passionierte Jägerin, weil die Tiere immer wieder auf ihren bösen Trick hereinfallen. Ein komischer Humor, den man nur versteht, wenn man die Mentalität der Menschen dort näher kennt.

DER LETZTE RITT IM SATTEL

In anderer Weise amüsant sind die Deutschtexaner, die mit allen Mitteln ihre schwindenden Deutschkenntnisse erhalten wollen und das klingt dann so: „Hast du die car gerentet? O Mann, uns ist gestern eine cow über die fenz geschwuppt.“ Und Skatbruder Emil mit einem listigen Blick „Jetzt knäcken wir dich wie eine Laus.“

Das weitläufige, zweistöckige Farmhaus im Kolonialstil von Teddy und Heidi liegt auf einer kleinen lieblichen Anhöhe über dem See, eingebettet in einer parkähnlichen Anlage, die groß genug ist, um darauf ein Reiterfest zu veranstalten. Die weißen Wände kontrastieren zum dunklen satten Grün der Umgebung. Auf breiten Veranden laden bequeme Liegestühle dazu ein, das Wechselspiel der Stimmungen des Tages zu durchleben und seine Gedanken spielend wandern zu lassen.

Um das Haus herum tummeln sich Pferde wie verspielte Kinder. Der Hausherr erfreut sich jeden Tag an dieser wohltuenden Harmonie mit den friedlichen Tieren.

Die Stille, Abgeschiedenheit und die unangetastete Schönheit der Landschaft versetzen mich immer wieder in helle Begeisterung. Wecken in mir den Wunsch auf ein langes und fernes Ende.

Aber immer kommt ein letzter Tag und eine letzte Nacht. Noch einmal ein Ausritt am frühen, jungfräulichen Morgen über das weite, vom Tau feuchte Land. Ein zarter Dunstschleier schwebt über dem noch schlafenden See. Streife durch unzugänglichen Urwald, in dem mächtige, umgestürzte Bäume, wie gefallene Riesen den Weg versperren, über sumpfige Wiesen und entlang versteckter Seen mit dem Knirschen des Ledersattels im Ohr. Atme die würzige Luft der unverfälschten Natur in ihrer ganzen Vielfalt.

Die Schönheit von Raum und Himmel, das offene Land und der Wind, der sich seinen Weg über grasbedeckte Anhöhen tastet, weckt in mir den Wunsch nach unfassbaren Dingen zu greifen. Die Wolkenflur entlang reiten zu wollen bis zu einer letzten Pforte am Horizont, bis an einen Punkt in der Ferne, an dem Himmel und Erde sich treffen und verschmelzen.

Texas du bist, was du selbst von dir sagst, der Stern, der alle anderen überstrahlen will. Du bist eine Nummer zu groß für die übrige Welt, von der dich deine endlos weiten Horizonte trennen.

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Seit seiner Kindheit ist unser Autor (geboren 1927) vom Reisen fasziniert. Er malte sich aus, wohin die Wolken wohl wandern und wünschte sich, er könnte mit ihnen davonsegeln. Seine grenzenlose Sehnsucht war, Kontinente zu überspringen, die Erde zu umkreisen und die Vielfalt der Länder zu erleben. Eines Tages, nach all den Wirren des Zweiten Weltkriegs, war es endlich soweit. Ein glücklicher Zufall gab ihm die Möglichkeit, in
40 Tagen, kurz bevor das Zeitalter des Jetfliegens begann, noch im niedrig fliegenden Propellerflugzeug und dadurch mit greifbar nahen Eindrücken, die Erdkugel über 52.000 Kilometer zu umrunden. Damit öffnete sich für ihn das Tor in die große weite Welt. Seine unvergesslichen Erlebnisse, beschreibt er in seinen Reiseberichten, die uns in eine verlorene Welt führen. Diese an der einen oder anderen Stelle wiederzuentdecken wäre sinnvoll, damit der Traum von einer besseren Welt, mit all ihren vielfältigen Wundern
und Menschen, wieder Wirklichkeit werden kann.

Fotos: Privat, iStock, Unsplash / Bailey Alexander, Delfino Barboza, Daniel Lloyd Blunk Fernandez, Greg Johnson, Clem Onojeghuo, Seeetz, Adam Thomas