In 40 Tagen um die Welt 1

EIN JUGENDTRAUM WURDE WAHR

In 40 Tagen um die Welt

„Forscher“ Herr Lehrer, war mit sieben Jahren meine schnelle Antwort auf seine Frage was ich einmal werden wolle. Großes Erstaunen beim Lehrer und ein allseitiges Lachen bei meinen Mitschülern war die Folge, über die überraschende, klare Meinung als Kind von meiner beruflichen Zukunft.

Vermutlich wird mir diese einprägsame Episode bis zum Lebensende nicht mehr aus dem Kopf gehen. Schon von früher Jugend an, war es mein tiefster Wunsch, immer wieder Neues zu entdecken. Diese unstillbare Neugierde wurde bis zum heutigen Tag zum festen Bestandteil meines Lebens. Es war meine Lieblingsbeschäftigung, mit dem Finger über die Landkarte zu fahren und mich zu fragen, wie, wo, was, in anderen Ländern geschieht und aussieht. Meine damals noch völlig unklaren Vorstellungen von der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Welt, haben mich manchmal vor unbegrenzter Wissbegier fast zerspringen lassen.

Wenn die Sonne den Himmel überstrahlte, konnte ich die Enge eines Klassenzimmers kaum ertragen. Deshalb nutzte ich jede Gelegenheit, um durch die Wälder meiner Heimat zu wandern. Immer mit mir allein, damit ich meine Gedanken, Wünsche und Fantasien ungestört schweben lassen konnte. Ich legte mich ins Gras und schaute verträumt den wandernden Wolken nach. Malte mir aus, wo sie wohl hinziehen. Wünschte mir von ganzem Herzen, ich könnte mit ihnen davonsegeln in fremde Länder, zu unbekannten Zielen.

Vielleicht war es der damals noch für mich unvorstellbare Traum vom Fliegen. Ich spürte in mir eine grenzenlose Sehnsucht, Kontinente zu überspringen und die Erde zu umkreisen. Der nächtliche Himmel mit seinem wandernden Mond und seinem strahlenden Sternenzelt, raubte mir den Schlaf. Die Faszination des Unendlichen war für mich gleichbedeutend mit der Weite der Welt, weil ich nur meine begrenzte Heimat kannte.

Nach dem ich den Zweiten Weltkrieg, bereits in meiner Jugend als Kriegsteilnehmer, in seinen schlimmsten Formen miterlebt und wie durch ein Wunder überlebt hatte. Es war ein Geschenk des Himmels, als ich 1957 die völlig unerwartete Möglichkeit bekam, in 40 Tagen die Welt zu umrunden.

Das Propellerflugzeug Lockheed L-1049 Super Constellation hatte nur 90 Sitzplätze, flog gemütliche 400 Stundenkilometer und das in niedrigen 3000 Höhenmetern, sodass der Ausblick auf Land und Meer so nahe wie in einem Film ablief und dadurch viele unvergessliche Eindrücke möglich machte. Karawanen in den Wüsten, Walfische im Pazifik, verschiedenste das Meer durchziehende Schiffe, massive Gebirgszüge und abgrundtiefe Täler der Rocky Mountains, schimmernde Eisfelder Grönlands und das vielarmige Ganges Delta, um nur einige von vielen, vielen Beispielen zu nennen.

Kaum ein Jahr später begann das Jetzeitalter mit 1000 Stundenkilometern und 10.000 Metern Flughöhe. Zwangsläufig verschwand damit beim Flug die faszinierende Nähe zur Erde mit ihren vielgestaltigen Eigenheiten. Diesen Unterschied erlebte ich besonders bei meinen weiteren vier Weltumrundungen, bei denen ich die Außenwelt nur in weiter Ferne wahrnehmen konnte.

Als wir mit unserer Propellermaschine nach 40 Tagen, wieder auf dem Münchener Flugfeld aufsetzten, ging ein Flug über 50.000 Kilometer zu Ende. Alle fünf Erdteile hatten wir berührt und dabei Schottland, Amerika, Kanada, Kiribati (Canton Island, damals noch von Großbritannien und Amerika kontrolliert), Französisch-Polynesien, Australien, Singapur, Thailand, Burma, Pakistan, Indien, Syrien, Libanon und die Türkei besucht.

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Mein Lieblingsplatz vor der Weltkarte

Der Flug von Hawaii nach Australien war, im Gegensatz zu unseren anderen Flugstrecken außergewöhnlich lang, beeindruckend und aufregend, deshalb soll er hier besonders geschildert werden. Schon beim Start hatte ich gemischte, widersprüchliche Gefühle! Einerseits die neugierige Vorfreude auf den fünften Erdteil, südlich des Äquators. Andererseits Bedenken, wegen des 21 Stunden Nonstopflugs mit einer Propellermaschine, der auf halbem Weg zu unserem Ziel, nur durch ein einstündiges Auftanken auf der winzig kleinen Koralleninsel Canton Island mit 41 Einwohnern, unterbrochen wurde. Ein Flug über ein kaum vorstellbares, unendliches Meer, so groß wie die gesamte Landfläche der Erde. In diesem Moment ging mir auch ein tragisches Ereignis nicht aus dem Kopf, das sich vorher ereignet hatte. Ein Flugzeug das zur selben Stunde und Flugplatz, nur einen Tag nach unserem Flug von Los Angeles nach Hawaii fliegen sollte, kam dort niemals an, sondern verschwand spurlos in den schweigenden Wellen des Pazifiks.

Über alle Bedenken aber, siegte in mir der Glaube an ein ungestörtes, glückliches Ankommen in Australien, sowie das große Vertrauen in die Maschine und ihre Besatzung.

Die vielen Stunden, in denen es nichts als das abwechslungslose Meer zu sehen gab, fand ich Zeit und innere Ruhe, um das in den letzten Tagen bisher so vielfältig Gesehene, Gehörte und Gefühlte, in Gedanken rückblickend zu ordnen.

Es ist nicht ganz einfach, bei der grossen Unterschiedlichkeit der besuchten Länder, ihrer Menschen, ihrer Sitten und Gebräuche, ihrer Natur und ihren Sehenswürdigkeiten, die vielseitigen Eindrücke und Wahrnehmungen zu verinnerlichen.

Etwas erlebte ich immer wieder, wenn wir auf dem Weg zu einem anderen Land waren. In mir bauten sich Stunde um Stunde große Erwartungen auf, es wuchs die Neugierde das Unbekannte zu entdecken und zu erleben. Ich hoffte darauf, bald in Freude, Begeisterung und Erstaunen versetzt zu werden!

Heute denke ich an die verschiedenen Anpassungen, die notwendig waren, sobald wir in ein neues Land mit neuer Sprache, Schrift, Währung, Traditionen und Brauchtum kamen.

Vieles davon werde ich bald vergessen, aber unvergessen bleibt mir das überwältigende Erlebnis und die innere Befriedigung, unsere gute alte Erde in 40 Tagen umrundet zu haben. Der kühne Abenteurer David Niven aus dem 1956 erschienenen Film „In 80 Tagen um die Welt“ (nach dem Roman von Jules Verne von 1873) wurde mit diesem Flug um die Hälfte der Zeit geschlagen und wir hatten einen noch weit längeren Weg zurückgelegt. Allerdings hatte Phileas Fogg kein viermotoriges Propellerflugzeug zur Verfügung.

Mit dieser Erdumrundung, bei der wir insgesamt über 150 Stunden im Flugzeug saßen, wurde für mich endlich ein Tor geöffnet, um in der großen weiten Welt meiner allumfassenden Neugierde, eine befreiende Möglichkeit zu geben. Jetzt konnte und wollte ich dorthin, wo noch niemand oder selten jemand war.

Auf all meinen folgenden Reisen in 120 Länder, die meistens in abenteuerlicher Art und Weise verliefen, lag mir wenig daran zu suchen und zu beschreiben, was Viele aus Büchern, oder vom TV, schon wissen und kennen.

Ich wollte immer hinter die Fassaden blicken und die Seele eines Volkes ergründen. Mich interessierten die Geschichten des Alltags, die Menschen mit all ihren Freuden und Leiden. Die Atmosphäre der Städte und Dörfer, ihre Männer und Frauen, ihr Leben das sie führen, ihre Gewohnheiten und Ansichten, ihre Lebensumstände, ihre Häuser und Wohnungen, ihre Mentalität und ihre Charaktere, ihre Leidenschaften und Neigungen, ihre Berufe und Hobbies. An jedem Tag suchte ich die unmittelbare Nähe zu den Menschen, hielt Augen und Ohren offen und versuchte eine sensible Seele zu haben.

So war ich mit der Welt immer auf Du und Du und das bedeutete, Abenteuer zu jeder Stunde. Mein unbegrenztes Interesse an allem was das Herz und die Seele bewegt, schenkte mir die nötige Motivation, um das bunte Kaleidoskop Welt zu verinnerlichen und damit auch im Leben weitere Erfüllung zu finden.

Der Kirchenlehrer Augustinus (354 -430 n.Chr.) sagte bereits: „Die Welt ist wie ein Buch, von dem man nur eine Seite gelesen hat, wenn man nichts als seine Heimat kennt“

Ich bin zwar nicht der Forscher geworden, der ich mit sieben Jahren werden wollte, aber es ist mir gelungen, möglichst viele Seiten dieses spannenden Buches zu lesen.

Es gibt aber noch ein ganz anderes wertvolles Erlebnis des Reisens. Nämlich die innere Befriedigung, erfüllt mit vielen interessanten Erlebnissen, bewegenden Begegnungen und befreienden Gefühlen, wieder heimzukommen in das vertraute Zuhause. Aber das kann nur der wirklich begreifen, der fortgegangen ist, um mit großen Erwartungen Neues zu durchschreiten und zu entdecken.

Mit dieser Reise um die Welt in 40 Tagen realisierte ich den Traum meiner Kindheit.

Eine nie versiegende Neugierde hat mich über Horizonte wandern lassen und jetzt finde ich in meinem eigenen Leben die Worte von Franz Kafka (1883-1924) bestätigt:

„Wer sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden!“

Den detaillierten Bericht über die Reise von Wolfgang Eckstein finden Sie in der Online-Ausgabe des PURPOSE Magazins.